Herrenhaus Borstel Geschichte

Die Geschichte des adligen Gutes Borstel reicht bis auf das 13te Jahrhundert zurück. In der Mitte des 15ten Jahrhunderts übernahm durch Heirat das Geschlecht der von Buchwaldts die Herrschaft über Borstel, die sie über mehrere Generationen erfolgreich ausübte. Der Besitz wurde kontinuierlich erweitert. So gehörten neben vielen umliegenden Dörfern auch die Güter Jersbek und Stegen zu ihrem Herrschaftsbereich, später kam Wulksfelde hinzu. Im Jahre 1588 kam es zur Teilung, nachdem sich die Söhne des verstorbenen Jasper von Buchwaldt über das Erbe nicht einigen konnten. Jersbek und Stegen wurden abgetrennt. Mehrere Generationen folgten. Von Bedeutung ist Friedrich von Buchwaldt, der das Gut im Jahre 1739 erbte, das zwei Jahre zuvor durch Feuer vernichtet worden war. Friedrich, ein gebildeter Mann mit einer Fülle ehrenvoller Ämter und einer der angesehensten Vertreter der Ritterschaft, entschloss sich, entfernt von den Wirtschaftsgebäuden ein neues Herrenhaus zu errichten, das seinem Repräsentationsbedürfnis entsprach. Es wurde 1751 vollendet und gehört zu den seltenen barocken Bauwerken nördlich der Elbe.

Die großzügige und ausgewogene Architektur des Gebäudes (ohne die in Ostholstein typischen Zusatzbauten) erschließt sich dem Besucher am besten bei einem Rundgang. Wie eine „Bauskulptur“ fügt sich das Haus mit seinen ovalen Seitenpavillons in den Garten ein. Sein Baumeister kann allerdings bisher nicht zweifelsfrei benannt werden.

Das Haus und das zugehörige Gut erlebten in den folgenden Jahrhunderten eine wechselvolle Geschichte. Zunächst ging durch Heirat der Besitz im Jahre 1761 an den dänischen Staatsminister Johann Hartwig Ernst Graf von Bernstorff über, der sich als Außenminister des dänischen Staates und Präsident der deutschen Kanzlei (Verwaltungsleiter der Herzogtümer Schleswig und Holstein) große Verdienste erworben hat. Sein Neffe Andreas Peter von Bernstorff, ebenfalls im dänischen Staatsdienst tätig, übernahm das Anwesen im Jahre 1772 und führte es bis zu seinem Tode 1797. Beide haben das Gut Borstel nur von ferne geleitet, sich aber Verdienste erworben, die Leibeigenschaft abzuschaffen. Diese endete im Königreich Dänemark schon 1788, in den Herzogtümern Schleswig und Holstein jedoch offiziell erst 1805.

Weitere Besitzerwechsel folgten. Das Gut wurde zunehmend zu einem Spekulationsobjekt. Unrühmlich war die Zeit unter dem bürgerlichen Hochstapler Wuits, der sich als Graf de Wuits bezeichnete und 1805 unter Hinterlassung eines riesigen Schuldenberges nach London floh. Die letzten adligen Besitzer, die Grafen von Baudissin, die das Gut Borstel 1839 erwarben, unternahmen einen letzten Versuch, das Gut zu retten. Jedoch musste Joseph Graf von Baudissin jun. im Jahr 1930 das Gut an den Margarinefabrikanten Friedrich Bölck verkaufen. 1938 ging das Herrenhaus in den Besitz des Deutschen Reiches über, die Ländereien wurden aufgesiedelt. Das Herrenhaus diente bis 1945 als Gebäude für den Reichsarbeitsdienst.

Heute beherbergt das Herrenhaus die Bibliothek und Repräsentations- Schulungs- und Konferenzräume des Forschungszentrums Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften, an das die westlich gelegene Medizinische Klinik angegliedert ist. Das Gebäude, das von 2002 bis 2006 saniert und vollständig restauriert wurde, zeigt sich heute in seiner repräsentativen Schönheit, auch wenn durch klassizistische Überarbeitungen nur noch Teile der ehemaligen Rokoko-Innengestaltung erhalten sind. Im Jahre 2012 wurden die Arbeiten zur Wiederherstellung der ursprünglichen Form der Auffahrt und eines Teiles der ehemaligen Parkanlage abgeschlossen.

Über eine geschwungene Freitreppe betritt man die geräumige Diele, den „Erfrischungsort“ während der Pause unserer Konzerte. Im linken seitlichen Kabinett kann man noch Teile einer reichen Rokoko-Ausstattung bewundern. Von der Diele gelangt man in den zentral gelegenen, zum Park hin geöffneten achteckigen Gartensaal. Er ist neben dem Ovalen Saal das Prunkstück des Hauses und der Konzertraum für alle unsere Konzerte, die vom Charakter her einen solchen Raum oder aber den dort vorhandenen Steinway-Flügel benötigen. Der Saal bezaubert durch seine besondere Atmosphäre.
Die Stuckdekoration der Decken und auch die beiden offenen Kamine sind noch im originalen Zustand. Die Wände wurden im 19ten Jahrhundert klassizistisch umgestaltet. Bemerkenswert sind die Thorvaldsen-Reliefkopien der drei Grazien über dem Rokoko-Kamin und die Stuckarbeiten in den Supraporten und Wandflächen, von denen der „Tanz der Musen auf dem Helikon” eine beziehungsvolle Verbindung zu unseren Konzerten herstellt.

Dr. Walter H. Wurmnest, Stuvenborn

Literatur- und Fotonachweis:

  • Wilhelm Sager: Vom adligen Gut zum Forschungszentrum, 2001, C.H. Wäser, Bad Segeberg
  • Dr. Dr. Axel Lohr: Die Geschichte des Gutes Borstel bis zum Jahr 1938, Eigenverlag, Hamburg 2014, ISBN 978-3-00-046413-3
  • Wilhelm Sager: 250 Jahre Herrenhaus Borstel, Geschichte und Bedeutung
    Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Segeberg, 2001
  • Dr. Deert Lafrenz: Architektur und kunsthistorische Bedeutung des Herrenhauses Borstel, Festvortrag anlässlich der 250 Jahrfeier des Herrenhauses Borstel, Heimatkundliches Jahrbuch des Kreises Segeberg, 2001
  • Fotos: Forschungszentrum Borstel und Dr. N. Yassari, Hamburg
  • Bild im Text: Das Herrenhaus Borstel um 1850, Lithographie von A. Hornemann, Landesbibliothek Eutin